Karenz: Die Wartezeit für Versicherungsleistungen

Im Versicherungsrecht versteht man unter Karenzzeit den Zeitraum, der zwischen einem Schadensfall und der Auszahlung der Leistung liegt. Dies betrifft vor allem Berufsunfähigkeits- und Restschuldversicherungen. Für die Versicherten bedeutet dies geringere Prämien. Allerdings besteht auch das Risiko, während einer langen Karenzzeit im Ernstfall finanziell ganz auf sich allein gestellt zu sein. 

Elisabeth Schwarzbauer

Autorin für Versicherungsthemen


Update icon

Zuletzt aktualisiert: April 27, 2023

Author Elisabeth Schwarzbauer

Elisabeth Schwarzbauer

/Content/img/ie8/mail_icon_.jpg

Elisabeth ist studierte Physikerin, verantwortet bei uns die Versicherungsthemen und hilft Ihnen Ihr bestes Angebot zu finden. Ihre Freizeit verbringt sie am liebsten mit Ihrer Familie oder mit einem Buch auf der Terrasse (wenn es das Wetter ermöglicht).

Fenster schließen

Inhaltsverzeichnis
     

    Karenzzeit: Definition und Abgrenzung

    Wird ein Arbeitgeber arbeitsunfähig, hat er zunächst Anspruch auf Lohnfortzahlung durch den Arbeitgeber und anschließend auf Krankengeld von der gesetzlichen Krankenkasse. Um Leistungen zu sparen, legen Berufsunfähigkeitsversicherer daher Karenzzeiten fest, in denen noch kein Geld fließt. Diese Wartezeit oder Sperrfrist, bis der Versicherer Leistungen gewährt, wird als Karenzzeit bezeichnet.

    Da der Begriff Karenz auch in anderen Zusammenhängen vorkommt, kann es leicht zu Verwechselungen kommen:

    • Im Bankenwesen bedeutet Karenzzeit die Zeit zwischen der Auszahlung eines Kredits und dem Beginn der Tilgung.
      Wurde beispielsweise im Januar 2020 einen Kredit mit einer Karenzzeit von 18 Monaten beantragt, dann muss im Juni 2021 damit begonnen werden, den Kredit abzubezahlen. Die Wartezeit dazwischen wird Karenzzeit genannt.
    • In Österreich ist Karenzzeit die Bezeichnung für die Berufsauszeit nach der Geburt eines Kindes (Elternzeit in Deutschland).
    • In der Landwirtschaft meint Karenzzeit die Zeit zwischen dem Versprühen von Pflanzenschutzmitteln oder der Verabreichung von Tierarzneimitteln und der Verwertung von entsprechendem Obst, Gemüse, Getreide und Fleisch.
    • In der Politik wird die Karenzzeit auch als Drehtüreffekt bezeichnet: Darunter wird die Zeitspanne  zwischen Ausscheiden aus einem Regierungsamt und der Beschäftigung in Wirtschaftsunternehmen oder Verbänden verstanden.
    • Im Radsport versteht man unter Karenzzeit den erlaubten Rückstand eines Sportlers bei einem Etappenrennen.

    Karenzzeit im Bezug auf Versicherungen

    Bei Versicherungen kann die Karenzzeit in zwei Formen auftreten:

    1. Zeitraum zwischen Eintritt des Schadensfalls und der Gewährung der Leistung.
    2. Zeitraum bis ein Leistungsanspruch geltend gemacht werden kann.

    Ein klassisches Beispiel für den ersten Fall ist die Berufsunfähigkeitsversicherung: Wenn der Versicherte erkrankt oder einen Unfall hat und seinem Beruf infolgedessen nicht mehr nachgehen kann, muss er in der Regel etwa ein Jahr lang warten, bis er Versicherungsleistungen erhält.

    Die Restschuldversicherung bei einem Immobilienkredit ist ein Beispiel für den zweiten Fall: Wenn der Kreditnehmer arbeitslos wird, springt die Versicherung ein und übernimmt die Ratenzahlung. Die Karenzzeit beginnt dann, wenn der Versicherte wieder eine Arbeitsstelle findet. Er muss für einen bestimmten Mindestzeitraum beschäftigt sein, um erneut Anspruch auf die Leistungen des Restschuldversicherers zu erwerben.

    Karenzzeit = leistungsfreie Zeit

    Die Karenzzeit wird auch als leistungsfreier Zeitraum bezeichnet.

    Warum gibt es die Karenzzeit?

    Versicherer haben Karenzzeiten vor allem eingeführt, um ein bewusstes Ausnutzen von Versicherungsleistungen zu verhindern. Die Karenz ermöglicht Versicherungen Leistungen nicht unmittelbar nach Vertragsabschluss zu erbringen, ohne zuvor entsprechende Beiträge von den Versicherungsnehmern erhalten zu haben. 

    So wird beispielsweise verhindert, dass die Versicherung leisten muss, wenn der Versicherungsnehmer bei Vertragsabschluss bereits wusste, dass er in absehbarer Zeit arbeitslos werden wird.

    Für Versicherte hat die Karenzzeit den Vorteil, dass sie geringere Prämien aufbringen müssen. Je länger die Dauer der Karenzzeit, desto geringer fallen üblicherweise die Versicherungsbeiträge aus.

    Eine lange Karenzzeit kann sinnvoll sein

    Eine lange Karenzzeit zu wählen, ist dann sinnvoll, wenn Sie die leistungsfreie Zeit anderweitig finanziell überbrücken können. Gesetzlich versicherte Arbeitnehmer haben beispielsweise in den ersten Monaten nach Feststellung der Berufsunfähigkeit Anspruch auf Lohnfortzahlung und Krankengeld.

    Eine Restschuldversicherung mit langer Karenzzeit sollten Sie nur dann abschließen, wenn Sie genügend finanzielle Reserven haben, um die Ratenzahlungen auch nach Wegfall Ihres Einkommens für eine gewisse Dauer fortsetzen zu können.

    Karenzzeit in der Berufsunfähigkeitsversicherung

    In der Berufsunfähigkeitsversicherung gibt es die Möglichkeit für Kunden eine sogenannte Karenzzeit zu vereinbaren, in der kein Anspruch auf Leistungen besteht. Diese Wartezeit beginnt, sobald eine Berufsunfähigkeit festgestellt wurde.

    Wenn bei Vertragsabschluss der Berufsunfähigkeitsversicherung keine besonderen Vereinbarungen getroffen wurden, beträgt die Karenzzeit in der Regel sechs Monate. Je nach Versicherer werden aber auch Wartezeiten von 12, 18 oder 24 Monaten angeboten.

    Im Prinzip ist es nicht möglich die Karenzzeit in bestimmten Fällen vorzeitig zu beenden. Schließlich hat sich der Versicherte die günstigen Prämien damit erkauft, dass er ein höheres Risiko eingegangen ist, bei Arbeitsunfähigkeit längere Zeit auf die Berufsunfähigkeitsrente zu warten. Unter Umständen ist es aber möglich, die Vertragskonditionen anzupassen, sofern noch keine Berufsunfähigkeit eingetreten ist. Lesen Sie in Ihren Vertragsunterlagen nach, ob Ihr Versicherer diese Möglichkeit bietet.

    Warum ist die Berufsunfähigkeitsversicherung prädestiniert für die Karenzzeit?

    In der Berufsunfähigkeitsversicherung ist eine Karenzzeit deshalb besonders sinnvoll, weil im Falle einer Arbeitsunfähigkeit zunächst andere Formen der finanziellen Absicherung greifen:

    • Lohnfortzahlung
      Wird ein Arbeitnehmer nach einem Unfall oder aufgrund einer Krankheit arbeitsunfähig, so hat er nach § 3 Entgeltfortzahlungsgesetz gegenüber dem Arbeitgeber einen Anspruch auf Lohnfortzahlung. Dieser besteht maximal sechs Wochen oder 42 Kalendertage lang. Die Lohnfortzahlung entspricht dem durchschnittlichen Arbeitsentgelts der letzten drei Kalendermonate, wobei Überstundenzuschläge und andere Sonderzahlungen nicht berücksichtigt werden. Der Anspruch besteht nur, wenn Sie zuvor mindestens vier Wochen lang bei Ihrem Arbeitgeber beschäftigt waren.
      Auch im Krankheitsfall gibt es diese Lohnfortzahlung: Hierzulande müssen Arbeitnehmer nach drei Tagen, einen geeigneten Nachweis für eine Krankheit vorlegen. Dabei muss jedoch der Arbeitgeber schon am morgen des ersten Krankheitstages über ein Fernbleiben informiert werden. Fälschlicherweise werden häufig diese drei Tage, an denen ein Arbeitgeber ohne Krankenschein zu Hause bleiben kann, als Karenztage bezeichnet.
    • Krankengeld
      Nach dem Auslaufen der Lohnfortzahlung des Arbeitgebers erhalten Sie von Ihrer gesetzlichen Krankenversicherung Krankengeld. Es beträgt 70 Prozent des regelmäßig erzielten Bruttoverdienstes bis zur Beitragsbemessungsgrenze, jedoch maximal 90 Prozent des letzten Nettogehalts. Die maximale Bezugsdauer beträgt einschließlich der Zeit, in der Sie Lohnfortzahlung erhalten haben, 78 Wochen, also gut ein Jahr und drei Monate. Wenn Ihre Karenzzeit darüber hinausgeht, müssen Sie die restlichen Wochen selbst überbrücken. Gegebenenfalls können Sie eine Erwerbsminderungsrente oder Sozialhilfe beantragen.
    • Besonderheiten für Selbstständige und Freiberufler
      Selbstständige und Freiberufler sowie alle anderen, die privat oder freiwillig krankenversichert sind, haben nicht automatisch Anspruch auf Krankengeld. Viele private Versicherer bieten jedoch den Abschluss einer privaten Krankentagegeldversicherung an. Beachten Sie: Wenn Sie zeitgleich zu den Leistungen aus der Berufsunfähigkeitsversicherung privates Krankentagegeld erhalten, zählt dieses als zusätzliches Einkommen. Entsprechend geringer fallen die Berufsunfähigkeitsrenten aus. Um dies zu vermeiden, lohnt sich in diesen Fällen eine Karenzzeit, sodass die Berufsunfähigkeitsversicherung erst dann einspringt, wenn der Anspruch auf Krankentagegeld der privaten Krankenversicherung erloschen ist.

    Vor- und Nachteile einer Karenzzeit

    Die Vorteile einer Berufsunfähigkeitspolice mit langer Karenzzeit sind die niedrigeren Beiträge. Der Nachteil ist, dass Sie die Zeit bis zur Auszahlung der Leistungen selbst überbrücken müssen.

    Außerdem besteht nur Anspruch auf die Auszahlung, wenn Sie bis zum Ende der Karenzzeit durchgehend berufsunfähig sind. Wenn die Berufunfähigkeit zwischenzeitlich endet aber aufgrund der gleichen Ursache später erneut eintritt, wird die erste Berufsunfähigkeitsphase auf die neue Karenzzeit angerechnet. Dies ist nicht der Fall, wenn die Berufunfähigkeit auf eine andere Ursache zurückzuführen ist. 

    Wichtige Fragen vor Vertragsabschluss

    Achten Sie beim Abschluss einer Berufsunfähigkeitsversicherung darauf, ob es eine Karenzzeit gibt und wie lange diese ausfällt. Überlegen Sie, ob die Beitragsersparnis das Risiko aufwiegt, dass Ihre Versicherung einige Monate lang keine Leistungen zahlt. Können Sie diese Zeit überbrücken? Haben Sie Anspruch auf Lohnfortzahlung und Krankengeld?

    Seien Sie sich dabei auch bewusst, dass das Krankengeld geringer ausfällt als ihr vorheriger monatlicher Verdienst. Oder ist eine Karenzzeit für Sie sogar von Vorteil, weil Sie eine private Krankenversicherung mit hohen Krankentagegeld abgeschlossen haben? Einen guten Überblick darüber, wie sich unterschiedliche Karenzzeiten auf die Versicherungsbeiträge auswirken, können Sie sich mit unserem Vergleichsrechner für Berufsunfähigkeitsversicherungen verschaffen.

    Karenzzeit in der Restschuldversicherung

    Restschuldversicherungen werden vor allem zusammen mit langfristigen Krediten wie Baudarlehen aufgenommen. In erster Linie wollen Kreditnehmer damit sicherstellen, dass im Todesfall nicht die Angehörigen auf den Schulden sitzenbleiben und im schlimmsten Fall aus dem Eigenheim ausziehen müssen. Die Versicherung springt im Ernstfall in die Ratenzahlung ein. Viele Versicherer bieten zudem die Möglichkeit, die Restschuld auch für den Fall von Arbeitsunfähigkeit oder Arbeitslosigkeit abzusichern. Üblich ist hier eine Zeitraum von zwei Wochen bis zu einem Monat. Um sicher zu gehen, sollte dies jedoch im Vertrag überprüft werden oder direkt bei der Versicherung erfragt werden. Bei der Umschuldung eines Kredits besteht die Restschuldversicherung weiterhin.

    Ähnlich wie bei der Berufsunfähigkeitsversicherung sehen auch viele Restschuldversicherer eine Karenzzeit vor, in der sie keine Leistungen erbringen. Können die Raten wegen Berufsunfähigkeit nicht zurückgezahlt werden, besteht aufgrund von Lohnfortzahlung und Krankengeld auch hier keine Notwendigkeit für den Versicherer, sofort einzuspringen. Auch bei Jobverlust ist der Versicherte durch Arbeitslosengeld I in der Regel ausreichend abgesichert, um nicht sofort in die Bredouille zu geraten.

    Die größte Rolle spielt bei der Restschuldversicherung allerdings die zweite Art der Karenzzeit: Wenn Leistungen gezahlt wurden, muss der Versicherte einen bestimmten Zeitraum abwarten, bis er wieder einen Leistungsanspruch hat. Die Karenzzeit ist also die Zeit, in der neue Leistungsansprüche erworben werden müssen.

    Ein praktisches Beispiel

    Herr A. hat einen Baukredit mit einer Zinsbindung von 15 Jahren aufgenommen und gleichzeitig eine Restschuldversicherung abgeschlossen. Nach fünf Jahren muss sein Arbeitgeber Insolvenz anmelden und Herr A. wird arbeitslos. Die Restschuldversicherung übernimmt seine Ratenzahlungen an die Bank. Nach einem Jahr findet Herr A. eine neue Beschäftigung und kann seine Kreditschuld wieder selbst stemmen. In seinem Versicherungsvertrag ist eine Karenzzeit von zwölf Monaten vorgesehen. Herr A. muss jetzt mindestens ein Jahr lang bei seinem neuen Arbeitgeber angestellt sein, um im Fall einer erneuten Arbeitslosigkeit oder einer Berufsunfähigkeit wieder Anspruch darauf zu haben, dass der Versicherer die Kreditraten für ihn übernimmt.

    Wartezeiten bei anderen Versicherungen

    Wartezeiten gibt es auch bei der Rechtsschutzversicherung und vielen privaten Zusatzversicherungen wie zum Beispiel der Zahnzusatzversicherung. Allerdings handelt es sich hier in der Regel um Wartezeiten zwischen Versicherungsabschluss und erstmaligem Leistungsanspruch. Die Versicherer wollen sich damit vor dem Fall schützen, dass Kunden unmittelbar vor einer teuren Zahnbehandlung oder einem absehbaren Rechtsstreit eine Police abschließen und Leistungen in Anspruch nehmen, ohne vorher ein Mindestmaß an Beiträgen gezahlt zu haben.

    Spartipps und News:

    Newsletter abonnieren & gratis PDF erhalten