Keine Krankenversicherung: Geht das?

Die Krankenversicherung ist eine Pflichtversicherung in Deutschland. Die allgemeine Krankenversicherungspflicht wurde am 1. Januar 2009 eingeführt, nachdem sie bereits 2007 für viele gesetzlich Versicherte galt. Durch die Einführung der Versicherungspflicht sorgt der Staat dafür, dass seine Bürger im Krankheitsfall abgesichert sind und sie die Kosten für die Behandlung nicht selbst tragen müssen. Die Krankenversicherung ist damit eine fundamentale soziale Absicherung und wichtiger Bestandteil des deutschen Sozialversicherungssystems. Ist es da überhaupt möglich, ohne Krankenversicherung in Deutschland zu leben?

Elisabeth Schwarzbauer

Autorin für Versicherungsthemen


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Zuletzt aktualisiert: December 16, 2023

Author Elisabeth Schwarzbauer

Elisabeth Schwarzbauer

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Elisabeth ist studierte Physikerin, verantwortet bei uns die Versicherungsthemen und hilft Ihnen Ihr bestes Angebot zu finden. Ihre Freizeit verbringt sie am liebsten mit Ihrer Familie oder mit einem Buch auf der Terrasse (wenn es das Wetter ermöglicht).

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Inhaltsverzeichnis
     

    In Deutschland lebten laut Hochrechnung der Bundesregierung im Jahr 2015 über 77.500 Menschen ohne Krankenversicherung. Die Zahl kann jedoch auch höher sein. Vielfach sind vor allem ehemals Privatversicherte heute nicht krankenversichert. So können sich vor allem schlecht verdienende Selbständige häufig die Kosten für die PKV nicht leisten, da die PKV für Selbstständige oft teurer sein kann, und verzichten daher auf die Versicherung. Vor 2009 hatten Selbständige auch noch die Möglichkeit, unversichert zu bleiben.

    Eine andere Gruppe der Nicht-Versicherten besteht aus Obdachlosen, die keine finanziellen Mittel für eine Krankenversicherung zur Verfügung haben. Zudem gibt es auch Ausländer und illegale Einwanderer, die nicht gemeldet sind und somit auch keine Versicherung abschließen können.

    Jedoch haben wohnungs- und obdachlose Menschen grundsätzlich einen Anspruch auf das normale medizinische Hilfesystem. Hierzu zählen beispielsweise niedergelassene Ärzte, Krankenhäuser oder Notfallpraxen.

    Medizinische Versorgung ohne Krankenversicherung

    Wer nicht krankenversichert ist, wird zwar beim Arzt weiterhin behandelt. Allerdings muss er die Kosten für Behandlungen selbst tragen. Er erhält nach dem Arztbesuch eine Rechnung. Ohne Krankenversicherung ist die medizinische Versorgung in Notfällen, bei akuten Krankheitssymptomen sowie bei Schwangerschaften gesichert. Während der Zeit ohne Krankenversicherung laufen jedoch Beitragsschulden bei Privater und Gesetzlicher Krankenversicherung auf.

    Schritt für Schritt zurück in die Krankenversicherung

    • So schnell wie möglich in die Krankenversicherung zurückkehren
      Je eher Sie wieder krankenversichert sind, desto weniger Beitragsrückstände oder Prämienzuschläge müssen Sie bezahlen.
    • Krankenkasse auswählen
      Nutzen Sie den PKV- oder den GKV-Versicherungsvergleich, um Versicherungen und Tarife zu vergleichen. Beachten Sie dabei, ob Sie sich privat oder gesetzlich krankenversichern müssen!
    • Kontaktaufnahme und Beratung
      Nehmen Sie Kontakt zur ausgewählten Krankenkasse auf und schildern Sie Ihre Lage. Nutzen Sie mögliche Beratungsangebote.
    • Nachlass beantragen
      Stellen Sie einen Antrag auf Beitragsnachlass oder verhandeln Sie mit der PKV über mögliche Rabatte bei den Prämienzuschlägen. Für die Zahlung des Beitragsrückstandes oder der Prämienzuschläge können Sie auch eine Ratenzahlung vereinbaren, wenn Sie das Geld nicht sofort verfügbar haben.
    • Versicherung abschließen
      Sobald alle Modalitäten geklärt sind, können Sie den Versicherungsvertrag abschließen. Sie sind dann wieder umfassend krankenversichert.

    In welche Versicherung komme ich wieder zurück?

    Wer vor seiner versicherungsfreien Zeit privat krankenversichert war, muss sich wieder privat krankenversichern. Wer einer nicht-selbständigen Arbeit nachgeht, kann sich über den Arbeitgeber gesetzlich krankenversichern. Für vormals gesetzlich Krankenversicherte gilt, dass sie sich wieder gesetzlich krankenversichern müssen.

    Die nachträgliche Beitragsschuld

    Wer nach der Einführung der Krankenversicherungspflicht ohne Krankenversicherung gelebt hat und sich wieder versichert, ist zur Nachzahlung nicht gezahlter Prämien verpflichtet. Darüber hinaus können Säumniszuschläge erhoben werden.

    Die Zahlung wird für jeden Tag berechnet, an welchem gesetzlich Versicherte seit dem 1. April 2007 und alle Versicherten seit dem 1. Januar 2009 versicherungsfrei waren. Kann ein ehemals Nicht-Versicherter die Beitragsschuld nicht direkt begleichen, ist eine Ermäßigung der ausstehenden Beiträge sowie anfallender Säumniszuschläge möglich.

    Beitragsschuld Gesetzliche Krankenversicherung

    Für Rückkehrer in die Gesetzliche Krankenversicherung gibt es eine einheitliche Regelung, die vom Spitzenverband der GKV auf der Basis des Beitragsschuldengesetzes aus dem Jahr 2013 verabschiedet wurde. Wer sich bis zum 31. Dezember 2013 wieder bei der gesetzlichen Krankenversicherung gemeldet hatte, musste keine Beiträge nachzahlen und die Beitragsschuld war automatisch beglichen.

    Seit dem 1. Januar 2014 gibt es keine Chance auf einen Kompletterlass der Beitragsschuld. Allerdings müssen die ausstehenden Beiträge unter bestimmten Voraussetzungen nicht in vollem Umfang nachgezahlt werden. Ebenso entfallen Säumniszuschläge.

    Voraussetzungen für die Ermäßigung bei der Nachzahlung

    Damit säumige Versicherungsnehmer eine Ermäßigung bei der Nachzahlung erhalten, müssen diese mindestens drei Monate versicherungsfrei gewesen sein. Darüber hinaus dürfen sie in der versicherungsfreien Zeit keine Versicherungsleistungen beansprucht haben. War dies dennoch der Fall, müssen sie die ärztlichen Leistungen selbst tragen und können nicht damit rechnen, dass die Krankenkasse die Kosten nachträglich übernimmt. Mitversicherte Familienangehörige sind von dieser Regelung ausgeschlossen.

    Berechnung der Nachzahlung

    Die Nachzahlungen an die Gesetzlichen Krankenkassen berechnen sich auf der Basis von zehn Prozent der beitragspflichtigen Einnahmen.

    Hat ein Beitragspflichtiger zehn Monate lang keine Krankenversicherung besessen und er hat in dieser Zeit monatlich 2.000 Euro verdient, beträgt die Berechnungsgrundlage 200 Euro. Der allgemeine Beitragssatz der Gesetzlichen Krankenversicherung liegt bei 14,6 Prozent. Pro Monat würde sich die Beitragsschuld folglich auf 29,20 Euro belaufen. Bei versicherungsfreien zehn Monaten müsste der Versicherte 292 Euro nachzahlen.

    Beitragsschuld Private Krankenversicherung

    Privatversicherte müssen für die versicherungsfreie Zeit ebenfalls nachzahlen. Bei den Zahlungen handelt es sich um einen sogenannten „Prämienzuschlag“. Die Höhe dieser Zahlung orientiert sich an der Höhe des Beitrags im neuen Versicherungstarif.

    Berechnung des Prämienzuschlags

    Für jeden Monat, in dem Personen nicht versichert waren, erhebt die Privatversicherung einen Prämienzuschlag in der Höhe eines vollen Monatsbeitrags. Diese Höhe wird bis zum sechsten Monat der versicherungsfreien Zeit beibehalten. Danach ist pro nicht versichertem Monat ein Sechstel des vollen Monatsbeitrags zu bezahlen.

    Schließt ein Nichtversicherter erneut eine Private Krankenversicherung ab und war zwölf Monate lang ohne Krankenversicherung, muss er sechs Mal den vollen Beitrag seines aktuellen Tarifs sowie einmal den vollen Tarif bezahlen.

    Beispielrechnung

    Herr F. war selbständig und konnte die Versicherungsprämie nicht mehr bezahlen. Für den Zeitraum von zwölf Monaten war er versicherungsfrei. Schließlich möchte er wieder in die Private Krankenversicherung zurückkehren. Er wählt einen günstigen Tarif und bezahlt dafür 250 Euro monatlich.

    6 Monate versicherungsfrei × 250 Euro = 1.500 Euro
    +
    6 × ⅙ des aktuellen Versicherungstarifs = 250 Euro

    Herr F. müsste also einen Prämienzuschlag von insgesamt 1.750 Euro an die PKV zahlen, wenn er sich wieder privat krankenversichert.

    Handeln ist empfohlen

    Da die Privaten Krankenversicherungen ganz unterschiedliche Tarife zu unterschiedlichen Konditionen anbieten, lohnt es sich, verschiedene Versicherungsangebote zu vergleichen. Bei ähnlicher Leistung sind nach einem Versicherungsvergleich häufig deutliche preisliche Unterschiede festzustellen.

    Je länger die Zeit der Nichtversicherung war, desto deutlicher machen sich Tarifunterschiede beim Prämienzuschlag bemerkbar. Versicherungsnehmer sollten darüber hinaus versuchen, mit der neuen Versicherungsgesellschaft zu verhandeln. Oftmals gewähren Versicherer weitere Nachlässe bei der Zahlung des Prämienzuschlags.

    Keine Krankenversicherung: Härtefall

    Mit dem sogenannten Notlagetarif wurde im Jahr 2013 eine gesetzliche Lösung für Privatversicherte geschaffen, die keine Prämien mehr bezahlt haben. Da die Krankenversicherungen einem Versicherungsnehmer bei Säumnis die Versicherung nicht verweigern dürfen, werden die Säumigen automatisch in den Notlagetarif übergeführt. Dies geschieht in der Regel nach 6 Monaten. Mit rund 100 Euro im Monat liegen die Kosten deutlich niedriger als bei regulären Tarifen für die PKV.

    Der Notlagentarif deckt jedoch nur die Kosten für Behandlungen im Akutfall und übernimmt nur einige wenige Zusatzleistungen für Schwangere, Kinder und Jugendliche. Bei Kindern werden zudem auch Kosten für Vorsorgeuntersuchungen, Früherkennungsuntersuchungen sowie empfohlene Schutzimpfungen übernommen. Altersrückstellungen, die bei einem „normalen“ Krankenkassentarif gebildet werden, entfallen im Notlagentarif. Ebenso werden keine Folgebehandlungen übernommen. Da diese Lösung nur als Übergang gedacht ist, sollten sich Privatversicherte so schnell wie möglich um eine vollständige Krankenversicherung kümmern.

    Oftmals reicht der günstige Basistarif der PKV zunächst aus. Dabei profitieren vor allem ältere Versicherungsnehmer, weil der Basistarif ohne Gesundheitsprüfung abgeschlossen werden kann. Empfänger von Arbeitslosengeld II können einen Zuschuss erhalten.

    Krankenversicherung in Deutschlands Nachbarländern

    Frankreich In Frankreich besteht eine Pflichtversicherung für jeden französischen Staatsbürger. Die Kosten für die Krankenversicherung werden zur Hälfte von Arbeitnehmer und Arbeitgeber getragen.
    Schweiz Jeder Schweizer ist ebenfalls gesetzlich verpflichtet, eine Krankenversicherung abzuschließen. Hierfür stehen Krankenkassen sowie private Versicherungsunternehmen zur Verfügung. Der Versicherungsbeitrag wird komplett vom Versicherten übernommen. Es gibt in der Schweiz keinen Arbeitgeberzuschuss. Außerdem ist die Höhe der Versicherungsprämie nicht vom jeweiligen Einkommen abhängig.
    Die Niederlande Eine ähnliche Regelung gibt es in den Niederlanden. Niederländer müssen sich ebenfalls krankenversichern. Hierfür bieten private, staatlich anerkannte Versicherungsgesellschaften entsprechende Tarife an. Sie sind zur Aufnahme der Versicherten zu den angegebenen Konditionen verpflichtet.
    Österreich Bei unseren Nachbarn in Österreich besteht eine Krankenversicherungspflicht. Jeder Arbeitnehmer ist mit seiner Familie automatisch krankenversichert, wenn er nicht selbständig ist. Die Krankenversicherung gliedert sich ähnlich wie in Deutschland in die Gesetzliche Krankenversicherung und die Private Krankenversicherung.
    Italien Eine Sonderstellung nimmt Italien bei der Krankenversicherung ein, denn die medizinische Grundversorgung über den nationalen Gesundheitsdienst ist für alle Italiener kostenlos. Die Kosten dafür werden von Arbeitgebern und über Steuergelder getragen. Zusätzlich können sich Italiener mit einer Privaten Krankenversicherung abdecken.

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