Strafzinsen: Schreckgespenst der Anleger

„Bring dein Geld aufs Sparbuch, da bekommst du Zinsen!“ – mit dieser kleinen Weisheit wurde früher versucht, Kinder zum Sparen zu animieren und ihnen so eine grundlegende Gesetzmäßigkeit des Finanz- und Kapitalmarkts beizubringen: Wer anderen Geld leiht beziehungsweise zur Verfügung stellt, erhält Zinsen dafür.

Daniel Winterl

Redaktionsleitung FinanceScout24


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Zuletzt aktualisiert: April 27, 2023

Author Daniel Winterl

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Daniel Winterl verantwortet als gelernter Betriebswirt die Finanz- und Versicherungsthemen bei FinanceScout24, um Ihnen die wichtigsten Infos bei ihrer Suche zur Verfügung zu stellen und das richtige Angebot für Sie zu finden.

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Inhaltsverzeichnis
     

    Unter bestimmten Bedingungen kann dieser Grundsatz aber außer Kraft gesetzt werden, sodass der Geldgeber am Ende nicht mehr, sondern weniger Kapital zurückerhält, als er eingesetzt hat. Man spricht in diesem Fall vom Negativzins oder auch Strafzins. Was es mit den Minuszinsen auf sich hat, wie sie entstehen und welche Folgen sie haben, erfahren Sie hier.

    Strafzinsen – eine Definition

    Grundsätzlich ist das Prinzip von Strafzinsen bzw. Negativzinsen schnell erklärt, denn es handelt sich um das Gegenstück zu den regulären Zinsen, den Positivzinsen. Bei einem Strafzins verliert der Kapitalgeber also über einen bestimmten Zeitraum einen gewissen Prozentsatz seines Gelds, der dem Kapitalnehmer gutgeschrieben wird. In der Regel müssen Anleger mit einer Sparsumme ab 100.000 Euro Strafzinsen einkalkulieren. Der Großteil der Banken berechnet Negativzinsen jedoch erst ab wesentlich höheren Beträgen, beispielsweise ab 250.000 Euro oder 500.000 Euro.

    Was für den gesunden Menschenverstand erst einmal paradox klingt, kann in der Wirtschaft aber durchaus zur Realität werden – allerdings nur unter sehr bestimmten Voraussetzungen.

    Legt man ein normales Anlageprodukt zugrunde, kann es immer dann zu einem Strafzins kommen, wenn die Nachfrage nach dem Produkt deutlich größer ist als das Angebot. Zu so einer Situation kann es am Kapitalmarkt, bei dem es sich um einen annähernd vollkommenen Markt handelt, nur unter ganz speziellen Bedingungen kommen. Schließlich würden Anleger unter normalen Marktbedingungen kein Angebot mit Negativzinsen annehmen und stattdessen auf Angebote mit positiver Rendite ausweichen. Sollten aber die anderen Angebote ein sehr hohes Ausfallrisiko aufweisen, nehmen Anleger unter Umständen auch einen Negativzins in Kauf, um dafür eine hohe Sicherheit bei der Geldanlage zu haben.

    Vollkommener Markt

    Ein vollkommener Markt ist ein Modell aus der Volkswirtschaftslehre, das aufgrund bestimmter Grundannahmen den Markt stark vereinfacht abbildet. Hierbei wird angenommen, dass alle Anbieter und Nachfrager nur nach ökonomischen Grundsätzen handeln und gewisse Bedingungen erfüllt sein müssen.

    So lassen sich mit Hilfe des Modells komplexe Zusammenhänge einfacher darstellen und erläutern. Ein vollkommener Markt muss folgende Bedingungen erfüllen:

    • Marktteilnehmer haben keine persönlichen, zeitlichen, sachlichen oder räumlichen Präferenzen
    • Vollkommene Markttransparenz
    • Homogene Güter
    • Marktteilnehmer reagieren sofort auf Veränderungen am Markt

    Zu einem gewissen Grad treffen diese Bedingungen auf den Kapitalmarkt zu, insbesondere die fehlende Präferenz für Produkte und die Homogenität der Produkte sind häufiger gegeben.

    Ein Beispiel für eine solche Marktsituation ist der Kapitalmarkt in der EU seit Beginn der Schuldenkrise von 2009. Aufgrund der schlechten Konjunktur sind langfristige Geldanlagen in Aktien für Investoren mit einem erheblichen Kursrisiko verbunden. Um dieses Kursrisiko zu meiden, flüchten sich vor allem institutionelle Anleger in Staatsanleihen von Ländern, die als stabil gelten, wie beispielsweise Deutschland oder die Schweiz. Aufgrund der immensen Nachfrage nach deutschen Schuldverschreibungen fiel die Durchschnittsrendite bei diesen Papieren im Januar 2012 mit -0,0122 Prozent negativ aus – zum ersten Mal in der Geschichte der Bundesrepublik.

    Ein weiterer Grund für Negativzinsen kann die Geldmarktpolitik der Notenbank des jeweiligen Landes sein. Für die EU ist die Europäische Zentralbank (EZB) der oberste Währungshüter, die über die Festlegung der Leitzinsen auch das Zinsniveau der Geschäftsbanken entscheidend mitbestimmt. In Folge der Finanzkrise von 2007 und der Schuldenkrise von 2009 betreibt die EZB schon seit einigen Jahren eine Niedrigzinspolitik. Mit dieser Politik des „billigen Gelds“ soll die Wirtschaft angekurbelt werden – durch die niedrigen Kreditzinsen ist es für Unternehmen sehr leicht zu investieren. Allerdings hat diese Geldpolitik auch zur Folge, dass auf Guthaben praktisch keine Zinsen mehr gezahlt werden.

    2014 kam es dann erstmals zu Negativzinsen bei der EZB. Der Zinssatz für Einlagefazilitäten – also Einlagen, die Geschäftsbanken bei der EZB unterhalten – fiel im Juni auf -0,10 Prozent. Diese Negativzinsen für Banken haben zwar nicht unmittelbar auch zu Negativzinsen für Privatkunden geführt, im November 2014 traf diese „Umkehrung der Verhältnisse“ dann aber auch erstmals die Sparer. Die Deutsche Skatbank, eine kleine Bank aus Thüringen, beschloss als erste deutsche Bank, einen Strafzins zu erheben. Dieser Strafzins von 0,25 Prozent dürfte allerdings nur die wenigsten Sparer treffen, denn er gilt für Tagesgeldkonten erst ab einer Einlage von 500.000 Euro und für Girokonten ab einer Einlage von zwei Millionen Euro. Mittlerweile haben zwei weitere Banken nachgezogen: Die Commerzbank und die WGZ Bank erheben ebenfalls Negativzinsen.

    Negative Realzinsen und negative Nominalzinsen

    Wenn es um Negativzinsen geht, unterscheidet man zwischen zwei Arten von Zinsen: Realzinsen und Nominalzinsen.

    Von negativen Realzinsen spricht man, wenn der Marktzins unterhalb der Inflationsrate liegt – der Zinssatz kann hier also durchaus noch über null liegen. In diesem Fall verliert das Ersparte an Wert obwohl der Zins über 0 Prozent liegt. Werden auf Sparguthaben beispielsweise 0,5 Prozent Zinsen gezahlt, die Inflationsrate liegt aber bei 2 Prozent, verliert das Geld des Sparers zwar an Kaufkraft, der nominelle Betrag wächst aber dennoch.

    Bei einem negativen Nominalzins muss der Zinssatz dagegen tatsächlich im negativen Bereich liegen, also unter 0 %. In diesem Fall wird auch von Strafzinsen, Negativzinsen oder einer Guthabengebühr, die Banken auf Konten sowie Sparbücher erheben, gesprochen

    Auswirkungen von Strafzinsen

    Da Negativzinsen nur sehr selten auftreten, ist es daher kaum verwunderlich, dass sie teils sehr deutliche Auswirkungen haben. Gerade für Anleger ist ein Negativzins ein klares Warnzeichen, dass ihnen schwere Zeiten bevorstehen, denn in der Regel versuchen Banken einen Negativzins – gerade auch wegen der starken psychologischen Wirkung – zu vermeiden. Kommt es dann doch zu einem Strafzins, wissen die Anleger, dass sich die Aussichten für Investoren in nächster Zeit vermutlich nicht verbessern werden. Sie haben dann grundlegend zwei Möglichkeiten: Sie nehmen den Strafzins in Kauf, um dafür eine recht hohe Sicherheit zu haben, oder sie weichen auf riskante Anlageformen aus, die normalerweise noch eine positive Rendite abwerfen, dafür aber auch eine deutlich höheres Ausfallrisiko aufweisen.

    Ebenfalls beliebt sind Investitionen in Sachgüter wie Gold oder Immobilien, die gerade in wirtschaftlich schwierigen Zeiten als „sichere Häfen“ gelten. Bei diesen Anlagen gibt es natürlich keine Negativzinsen, allerdings auch keine Positivzinsen, zudem fallen oft Kosten für Lagerung beziehungsweise Unterhalt an. Bei Gold besteht darüber hinaus ein gewisses Kursrisiko. Auch wenn sich also die Auswirkungen von Negativzinsen für Anleger – ganz gleich, ob institutioneller oder Privatanleger – mindern lassen, so zählen sie eindeutig zu den Verlieren, wenn es zu Strafzinsen kommt.

    Auf Deflation spekulieren

    Gerade institutionelle Anleger spekulieren bei einem Negativzins darauf, dass es zu einer Deflation kommt. In diesem Fall könnte nämlich die steigende Kaufkraft des Gelds den nominellen Verlust ausgleichen. Aus einem negativen Nominalzins würde so also ein positiver Realzins. Auch wenn die EZB mit aller Macht zu verhindern versucht, dass es in der Eurozone zu einer Deflation kommt, ist dieses Szenario in Deutschland keineswegs völlig unrealistisch. Im Januar 2015 lag die Teuerungsrate in der Bundesrepublik beispielsweise bei -0,4 Prozent.

    Für Kreditnehmer sind Negativzinsen natürlich günstig, denn mit den Guthabenzinsen fallen auch die Kreditzinsen – auch wenn Letztere für Privatkunden eher nicht in den negativen Bereich fallen werden. Trotzdem profitieren Privatkunden, da ihnen für große Finanzierungsprojekte, wie etwa den Kauf oder den Bau einer Immobilie, sehr günstige Konditionen geboten werden. Auch Gewerbetreibende profitieren – zumindest theoretisch. Sie können mit günstigen Krediten ihren Betrieb ausbauen und die zusätzlich produzierten Güter verkaufen, um so – trotz der Kreditrückzahlung – den Gewinn zu steigern. Voraussetzung hierfür ist natürlich, dass die Wirtschaft so stabil ist, dass eine Absatzsteigerung möglich wird. Da ein Negativzins aber oft zusammen mit Wirtschaftskrisen auftritt, ist diese Voraussetzung keineswegs immer gegeben. Ein Kreditvergleich kann einen ersten Überblick über die derzeit marktüblichen Zinsen verschaffen.

    Insgesamt zählen Kreditnehmer aber eher zu den Gewinnern, wenn es zu einem Negativzins kommt. Da Banken als Investoren auftreten, schmälert ein Negativzins ihre Gewinnchancen, genau wie es bei anderen Investoren auch der Fall ist. Da sich Banken aber über die Einlagen ihrer Kunden finanzieren, profitieren sie zugleich vom Negativzins, da sie auf die Einlagen keine Zinsen mehr zahlen müssen oder sogar Zinsen dafür erhalten. Der Negativzins verleitet Banken auch dazu, in risikoärmere Anlagen zu investieren, weshalb es für Privat- und Geschäftskunden mitunter schwieriger ist, einen Kredit zu erhalten.

    Strafzinsen im Ausland

    Negativzinsen für Großkunden von Privatbanken sind derzeit noch die absolute Ausnahme – neben den drei deutschen Banken haben bisher nur einige Schweizer Banken Strafzinsen für Kunden eingeführt. Allerdings setzen die Notenbanken Dänemarks und Schwedens – übrigens genauso wie die Schweizer Nationalbank – ebenfalls auf Strafzinsen als Instrument der Geldmarktpolitik. Dänemark versucht so, eine massive Aufwertung der Krone zu verhindern, in Schweden steht der Kampf gegen die Deflation im Vordergrund. Zudem ziehen verschiedene US-Banken Negativzinsen für institutionelle Anleger in Betracht. Zwar hat die US-amerikanische Notenbank bisher noch keinen Strafzins eingeführt, durch stärkere Regulierung sind aber die Kosten für die US-Banken gestiegen, die sie mit den Negativzinsen auf ihre Kunden abwälzen könnten.

    Die Entwicklung der Zinsen

    Nicht zuletzt durch die Krisen von 2007 und 2009 sind die Zinsen in Deutschland in den letzten Jahren fast kontinuierlich gesunken und haben inzwischen ein historisches Tief erreicht. Zur Verdeutlichung der Zinsentwicklung soll der vom Statistischen Bundesamt ermittelte Durchschnittszins auf Tagesgeld für die Jahre 2000 bis 2015 dienen:

    Jahr Durchschnittszins auf Tagesgeld
    2000 2,1 Prozent
    2001 2,3 Prozent
    2002 1,8 Prozent
    2003 1,1 Prozent
    2004 1,1 Prozent
    2005 1,2 Prozent
    2006 1,4 Prozent
    2007 1,7 Prozent
    2008 1,9 Prozent
    2009 1,1 Prozent
    2010 0,7 Prozent
    2011 0,8 Prozent
    2012 0,7 Prozent
    2013 0,4 Prozent
    2014 0,3 Prozent
    2015 0,2 Prozent

    Sollte die Inflationsrate im Euro-Raum nicht anziehen, wird die EZB als Währungshüterin ihre Niedrigzinspolitik vermutlich fortsetzen, denn die Währungsstabilität ist eines der wichtigsten Ziele der EZB, zudem hätte eine Deflation auch für die Wirtschaft ernstzunehmende Konsequenzen.

    Wohin mit dem Geld als Kleinanleger?

    Zwar sind Kleinanleger nicht direkt von den Negativzinsen der Banken betroffen, trotzdem macht es das in der Folge der Negativzinsen stark gesunkene Zinsniveau natürlich schwierig, noch lohnende Investitionsmöglichkeiten zu finden. Die Grundsätze der Geldanlage – die Abwägung zwischen Flexibilität, Sicherheit und Rendite – gelten aber natürlich weiterhin. Sie müssen also für sich entscheiden, ob Sie angesichts der niedrigen Zinsen bereit sind, ein höheres Risiko bei der Geldanlage einzugehen, um eine höhere Rendite zu erzielen.

    Mit Aktienfonds und ETFs (Exchange Traded Fund) lassen sich durchaus Renditen oberhalb des aktuellen Zinsniveaus erzielen, allerdings besteht hier auch ein höheres Risiko als bei klassischen Anlageprodukten der Banken. Gerade ETFs können aber eine interessante Alternative sein, da hier die Verwaltungskosten relativ gering sind. Grundsätzlich sollten Sie aber jede Geldanlage sorgfältig abwägen und sich zuvor genau informieren – investieren Sie nicht in ein Produkt, das Sie nicht verstehen. Zudem sollten Sie im Rahmen der Risikostreuung eine ausgewogene Mischung aus riskanteren, rentableren und sicheren Anlageprodukten anstreben.

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