Mit der Auswahl Ihres Stromtarifs können Sie bestimmen, welcher Strom für Sie produziert beziehungsweise eingekauft wird. Mit einem Ökostromtarif steigern Sie also die Nachfrage nach ökologisch produziertem Strom. Als Ökostrom wird Strom bezeichnet, der zu 100 Prozent aus erneuerbaren Energien gewonnen wird. Dies wiederum bedeutet, dass der Strom aus Wind- oder Wasserkraftwerken stammt, aus Biogasanlagen oder mit Photovoltaik, also Solarstromanlagen produziert wird.
Die „Umweltverträglichkeit“ von Ökostrom kann jedoch variieren – sie ist zum Beispiel davon abhängig, ob zeitgleich oder mengengleich geliefert wird, ob die Kraftwerke neueren oder älteren Datums sind. Ökostrom-Zertifikate und Ökostrom-Siegel sollen Ihnen die Entscheidung für ein bestimmtes Stromprodukt erleichtern.
Zertifikat oder Gütesiegel?
Man unterscheidet bei Ökostrom-Nachweisen zwischen Erzeugungszertifikaten und Gütesiegeln. Mit einem Erzeugungszertifikat kann der Stromanbieter nachweisen, woher er den Strom für seine Kunden bezieht. Mit einem Gütesiegel kann das Unternehmen zusätzlich belegen, dass der konkrete Stromtarif mit einem besonderen Umweltnutzen verbunden ist. Kurz gesagt:
- Erzeugungszertifikate geben Auskunft über die Herkunft des Stroms.
- Gütesiegel sagen etwas über die Umweltverträglichkeit der Produktion des jeweiligen Stromtarifs aus.
Letztlich ist der Unterschied zwischen Zertifikaten und Gütesiegeln sehr subtil. Manchmal gibt es auch Überschneidungen. Für Sie spielt der Unterschied praktisch keine Rolle, wenn Sie über die verschiedenen Voraussetzungen der Nachweise informiert sind.
Die Anforderungen für die Vergabe der Gütesiegel und Zertifikate sind teils sehr unterschiedlich. Ein häufig vorausgesetztes Kriterium ist aber, dass die Anlagen ein gewisses Alter nicht überschreiten. Dadurch sollen die Nachfrage nach Strom aus neueren Kraftwerken forciert und ein Anreiz zur Energiewende durch den Neubau von Windrädern, Fotovoltaikanlagen oder Wasserkraftwerken gegeben werden. Für manche Gütesiegel wird auch vorausgesetzt, dass ein gewisser Anteil des vom Kunden gezahlten Gelds vom Stromanbieter direkt in Neuanlagen investiert wird.
Erzeugungszertifikate
Erzeugungszertifikate spielen vor allen Dingen auf der Händlerebene eine Rolle. Die Wichtigsten sind das aus Deutschland stammende TÜV Süd Erzeugung EE und das schweizerische naturemade star. Für beide Erzeugungszertifikate muss nicht nur die Herkunft des Stroms belegt werden, es müssen auch noch andere Kriterien erfüllt sein, beispielsweise die Verpflichtung zu einer nachhaltigen Unternehmenspolitik beim TÜV oder den Ausschluss gentechnisch veränderten Materials zur Stromerzeugung bei naturemade star. Damit gelten für diese Zertifikate allgemein höhere Anforderungen als für die nachfolgend vorgestellten RECS-Zertifikate.
RECS-Zertifikate
Ein bei vielen Erzeugern beliebtes, aber von Umweltverbänden stark kritisiertes System der Erzeugungszertifizierung ist das RECS. Die Abkürzung steht für Renewable Energy Certificate System, welches ein Zertifizierungssystem zum Herkunftsnachweis für Strom aus erneuerbaren Energien in 15 europäischen Ländern darstellt, das im Jahr 2002 eingeführt wurde. Das System funktioniert so: Für jede Megawattstunde (MWh) erzeugten Grünstroms wird ein Zertifikat ausgestellt. Dieses Zertifikat kann frei gehandelt werden. Ein Unternehmen, das ein solches Zertifikat kauft, erwirbt das Recht, eine Megawattstunde Strom – gleich welcher Herkunft – als Ökostrom zu klassifizieren. Der Verkäufer des Zertifikats darf entsprechend seinen Strom jedoch nicht mehr als Grünstrom bezeichnen. Letztendlich erfolgt mit den RECS-Zertifikaten also nur eine Umschichtung. Ein Beispiel:
- Der Betreiber eines norwegischen Wasserkraftwerks verkauft ein Zertifikat über 1 MWh Strom aus erneuerbaren Energien an ein Stromunternehmen in Deutschland.
- Das deutsche Stromunternehmen kauft an der Strombörse 1 MWh Strom beliebiger Herkunft (Graustrom) und klassifiziert diese Strommenge als Ökostrom.
- Der Strom aus dem norwegischen Wasserkraftwerk wird dagegen offiziell nicht mehr als Strom aus erneuerbaren Energien verkauft.
Kritik an RECS-Zertifikaten
Für die Kritiker der RECS-Zertifikate ist dieses System der klassische Fall eines Greenwashings (Grünstromwäsche). Es erlaube großen Konzernen, beispielsweise Strom aus älteren Wasserkraftwerken in die Bestandteile „Strom“ und „Öko“ aufzuteilen, daran zu verdienen und letztlich für die Energiewende überhaupt keinen messbaren Beitrag zu leisten. Denn es werde mit diesem System kein Anreiz geschaffen, in neue, effizientere Arten der Energieerzeugung zu investieren. Die Aussteller der RECS-Zertifikate verteidigen das System mit dem Argument, dass durch RECS der ideelle Mehrwert von Ökostrom einen konkreten Marktpreis erhalte.
Die bekanntesten Ökostrom-Gütesiegel und Zertifikate
Die bekanntesten Ökostrom-Gütesiegel sind Grüner Strom Label und Ok power. Wer als Verbraucher eine schnelle Orientierungshilfe bei der Auswahl eines Ökostromtarifs sucht, kann auf diese beiden Siegel vertrauen. Aber auch die TÜV-Zertifizierungen werden für die Verbraucherinformation oft verwendet und sind sehr hilfreich. Einige Stromanbieter lassen sich die Erfüllung der Anforderungen, die sie selbst an ihre Stromprodukte stellen, von anderen Instituten mit einem Siegel bestätigen. Dies gilt zum Beispiel für Greenpeace Energy (Bestätigung durch OmniCert). Es gibt auch Gütesiegel, die den Strompreis als Kriterium einbeziehen (zum Beispiel EcoTopTen). Die Gültigkeit von Ökostrom-Zertifikaten und Gütesiegeln beträgt in der Regel ein Jahr.
Ökostromnachweise und deren Voraussetzungen
Name | Voraussetzungen | Besonderheiten |
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Grüner Strom Label |
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Die Unterscheidung zwischen den Siegeln „Gold“ und „Silber“ findet nicht mehr statt. |
Ok power |
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Stromprodukte werden nach einem Händlermodell, einem Fondsmodell oder einem Initiierungsmodell zertifiziert. |
TÜV Nord |
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Bezüglich des Ausbaus der erneuerbaren Energien im Rahmen des Geschäftsmodells bestehen keine expliziten Kriterien. |
TÜV Süd |
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Bei allen Ökostrom-Modellen müssen Preisaufschläge dem Ausbau der Ökostrom-Erzeugung dienen. |
Zeitgleichheit und Mengengleichheit
Letztlich ist nur bei Ökostromtarifen, die auf Zeitgleichheit zwischen Produktion und Verbrauch setzen, eine hundertprozentige Ökostromversorgung des Verbrauchers garantiert. Diese Tarifmodelle kommen im kleinen Maßstab dem großen Ziel der Energiewende nahe, zu jedem Zeitpunkt eine durchgehende Versorgung mit Strom aus erneuerbaren Energiequellen sicherzustellen. Tarife, die auf einer mengengleichen Versorgung basieren, haben diesen Vorteil nicht. Das bedeutet für Sie bei einem mengengleichen Modell selbstverständlich keinen Stromausfall bei Windstille oder fehlendem Sonnenschein. Denn letztlich basieren alle Ökostromtarife auf einer abstrakten Zuordnung von produzierter zu verbrauchter Strommenge. Trotzdem können Sie sich – besonders für die Feststellung Ihres persönlichen ökologischen Fußabdrucks – eine Ihrer persönlichen Jahresstromverbrauch entsprechende Menge an umweltfreundlich produziertem Strom anrechnen lassen. Beim Fehlen näherer Angaben handelt es sich bei Ökostromtarifen in der Regel um ein Modell mit mengengleicher Einspeisung von Strom.
Förderung der Erneuerbaren durch Aufpreise oder Spenden
Es gibt zwei Stromtarif-Modelle, bei denen Sie zwar offiziell keinen Ökostrom beziehen, trotzdem aber einen konkreten Beitrag zur Energiewende leisten: das Aufpreismodell und das Spendenmodell. Bei diesen Tarifen liefert der Versorger den konventionellen Strommix, Sie zahlen jedoch einen zusätzlichen Betrag, der dem Ausbau von alternativen Energiequellen zugutekommt. Wenn dieser zusätzliche Beitrag in Form einer Spende erfolgt, hat dies steuerliche Vorteile für Sie.
Mit Ökostromtarifen die Energiewende voranbringen
Jeder Verbraucher kann mit der Entscheidung für einen Ökostromtarif etwas für den Umweltschutz tun, denn er stärkt so die Nachfrage nach umweltfreundlich produziertem Strom. Wer auf die bekannten Gütesiegel oder Zertifizierungen setzt, kann darauf vertrauen, dass sein Stromtarif die Grundvoraussetzungen für die Ökostromerzeugung erfüllt. Es bleibt abzuwarten, ob in Zukunft die verschiedenen Zertifizierungs- oder Gütesiegelmodelle durch ein einheitliches System ersetzt werden, das – ähnlich wie das Bio-Siegel für Lebensmittel – für noch mehr Sicherheit bei den Stromkunden sorgt.