Krankenversicherungspflicht in Deutschland

Das Krankenversicherungssystem in Deutschland gilt nach wie vor als eines der besten der Welt. Die Absicherungsquote der Bundesbürger ist dank einer Allgemeinen Versicherungspflicht sehr hoch. Nur ein geringer Prozentsatz von weniger als 0,3 Prozent der Gesamtbevölkerung lebt ohne Krankenversicherung. Was die Pflicht zur Krankenversicherung bedeutet und welche Vor- oder Nachteile für Sie dadurch entstehen, erfahren Sie in diesem Ratgeber.

Elisabeth Schwarzbauer

Autorin für Versicherungsthemen


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Zuletzt aktualisiert: February 13, 2024

Author Elisabeth Schwarzbauer

Elisabeth Schwarzbauer

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Elisabeth ist studierte Physikerin, verantwortet bei uns die Versicherungsthemen und hilft Ihnen Ihr bestes Angebot zu finden. Ihre Freizeit verbringt sie am liebsten mit Ihrer Familie oder mit einem Buch auf der Terrasse (wenn es das Wetter ermöglicht).

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Inhaltsverzeichnis
     

    Hintergrund der sozialen Krankenversicherung

    Die soziale Krankenversicherung in Deutschland ist das älteste System seiner Art auf der Welt. Es wurde Ende des 19. Jahrhunderts im Zuge des Krankenversicherungsgesetzes durch Otto von Bismarck eingeführt. Damals war eine Krankenversicherung für alle Arbeiter verpflichtend, die weniger als 2.000 Reichsmark pro Jahr verdienten. Bis heute beruht das soziale Krankenversicherungssystem auf drei Prinzipien: Solidarität, Subsidiarität und Korporatismus. Bis heute wird die gesetzliche Krankenversicherung zu einem Teil vom Arbeitgeber und zum anderen Teil vom Arbeitnehmer getragen. Seit ihrer Einführung wurde sie verpflichtend auf alle Angestellten ausgeweitet, die einen bestimmten Jahresbetrag nicht überschreiten.

    Allgemeine Krankenversicherungspflicht seit 2009

    Seit dem 1. Januar 2009 besteht in Deutschland eine Allgemeine Krankenversicherungspflicht. Sie wird in Paragraph 193, Absatz 3 des Versicherungsvertragsgesetzes definiert.

    Schon zwei Jahre zuvor wurde 2007 die Versicherungspflicht für die gesetzliche Krankenversicherung im Rahmen des GKV-Wettbewerbsstärkungsgesetzes (GKV-WSG) eingeführt. Demnach müssen sich seither alle Arbeitnehmer gesetzlich versichern, wenn sie keine Private Krankenversicherung, Beihilfe oder Heilfürsorge in Anspruch nehmen. Eine Ausnahme bildeten damals Selbständige. Für sie gilt heute jedoch die Allgemeine Krankenversicherungspflicht.

    Durch die Einführung dieser Pflicht sollte die einst hohe Zahl von geschätzten 400.000 Bundesbürgern ohne Krankenversicherung im Jahr 2007 reduziert werden. Seit der Einführung der Allgemeinen Krankenversicherungspflicht ist diese Quote deutlich gesunken. Die letzte Erhebung durch das Statistische Bundesamt im Jahr 2011 hat ergeben, dass „nur“ noch knapp 137.000 Menschen in Deutschland ohne Krankenversicherung lebten.

    193, Absatz 3 VVG

    "Jede Person mit Wohnsitz im Inland ist verpflichtet, bei einem in Deutschland zum Geschäftsbetrieb zugelassenen Versicherungsunternehmen für sich selbst und für die von ihr gesetzlich vertretenen Personen, soweit diese nicht selbst Verträge abschließen können, eine Krankheitskostenversicherung, die mindestens eine Kostenerstattung für ambulante und stationäre Heilbehandlung umfasst und bei der die für tariflich vorgesehene Leistungen vereinbarten absoluten und prozentualen Selbstbehalte für ambulante und stationäre Heilbehandlung für jede zu versichernde Person auf eine betragsmäßige Auswirkung von kalenderjährlich 5.000 Euro begrenzt ist, abzuschließen und aufrechtzuerhalten; für Beihilfeberechtigte ergeben sich die möglichen Selbstbehalte durch eine sinngemäße Anwendung des durch den Beihilfesatz nicht gedeckten Vom-Hundert-Anteils auf den Höchstbetrag von 5.000 Euro. Die Pflicht nach Satz 1 besteht nicht für Personen, die

    1. in der gesetzlichen Krankenversicherung versichert oder versicherungspflichtig sind oder
    2. Anspruch auf freie Heilfürsorge haben, beihilfeberechtigt sind oder vergleichbare Ansprüche haben im Umfang der jeweiligen Berechtigung oder
    3. Anspruch auf Leistungen nach dem Asylbewerberleistungsgesetz haben oder
    4. Empfänger laufender Leistungen nach dem Dritten, Vierten, Sechsten und Siebten Kapitel des Zwölften Buches Sozialgesetzbuch sind für die Dauer dieses Leistungsbezugs und während Zeiten einer Unterbrechung des Leistungsbezugs von weniger als einem Monat, wenn der Leistungsbezug vor dem 1. Januar 2009 begonnen hat.“

    Quelle: https://www.gesetze-im-internet.de/vvg_2008/__193.html

    Wie betrifft mich die Krankenversicherungspflicht?

    In der gesetzlichen Krankenversicherung müssen sich alle Arbeitnehmer versichern, deren Jahreseinkommen die Versicherungspflichtgrenze nicht überschreitet. Beschäftigte, die jedoch mit ihrem Gehalt sowohl im Vorjahr als auch im neuen Jahr die Jahresarbeitsentgeltgrenze übersteigen, gelten in der Krankenversicherung versicherungsfrei. Die Jahresarbeitsentgeltgrenze beträgt aktuell im Jahr 2022 in den alten sowie den neuen Bundesländern 64.350 Euro. In die Berechnung der Jahresarbeitsentgeltgrenze fließen nicht nur die regulären Einkünfte durch die Berufstätigkeit mit ein, sondern auch weitere Einkünfte wie Mieteinnahmen sowie Bonus- oder Sonderzahlungen, zum Beispiel das Weihnachtsgeld.

    Gehaltsgrenze wird jährlich angepasst

    In der Regel wird jedes Jahr vor dem Jahreswechsel die Gehaltsgrenze angepasst. Fällt ein Arbeitnehmer im Folgejahr unter diese Grenze, ist er wieder krankenversicherungspflichtig in der GKV. Innerhalb von zwei Wochen müssen sich Arbeitnehmer dann für eine GKV entscheiden.

    Versicherungspflicht, aber freie Krankenkassenwahl

    Wer die Jahresarbeitsentgeltgrenze unterschreitet, ist verpflichtet, sich gesetzlich krankenversichern zu lassen. Allerdings haben Verbraucher die Wahl, die GKV frei zu wählen. In Deutschland sind knapp 70 Millionen Arbeitnehmer in einer der fast 170 verschiedenen Gesetzlichen Krankenversicherungen versichert, die im GKV-Spitzenverband organisiert sind.

    Pflichtversichern müssen sich folgende Personengruppen:

    • Arbeitnehmer mit einem Einkommen von mehr als 450 Euro monatlich und weniger als die Jahresarbeitsentgeltgrenze
    • Azubis, Studenten und Praktikanten, die eine berufspraktische Ausbildung machen und dafür kein Geld erhalten
    • Rentnerinnen und Rentner bei entsprechenden Vorversicherungszeiten
    • Empfänger von ALG I und ALG II
    • Freiberufler in Forst- und Landwirtschaft
    • Künstler
    • Publizisten

    Sonderfall Asylbewerber und Sozialhilfeempfänger

    Die Möglichkeit, einer GKV beizutreten, besteht auch für Asylbewerber oder Sozialhilfeempfänger. Sie erhalten eine elektronische Gesundheitskarte oder eine Versichertenkarte. Ihre Versicherungsbeiträge werden dann durch Steuereinnahmen beglichen.

    Freiwillig gesetzlich versichern können sich folgende Personengruppen:

    • Arbeitnehmer, die die Jahresarbeitsentgeltgrenze überschreiten
    • Selbständige

    Alternativ zur freiwilligen Versicherung in der GKV können diese Personengruppen sich auch privat krankenversichern.

    Dann können Sie die GKV verlassen

    Übersteigt Ihr Jahreseinkommen die Entgeltgrenze oder nehmen Sie eine selbständige Arbeit auf, können Sie die GKV verlassen, müssen es aber nicht. Es bleibt immer noch die Möglichkeit der freiwilligen Krankenversicherung in der GKV. Das gilt auch für Studenten. Wer mit seinem Studium beginnt, kann sich von der Versicherungspflicht befreien lassen und in die Private Krankenversicherung wechseln. Allerdings müssen Studenten nach Abschluss des Studiums aufpassen, damit sie wieder in die GKV zurückkehren können.

    Keine finanziellen Nachteile für Versicherungspflichtige

    Wer sich in der GKV pflichtversichern muss, hat in der Regel keine finanziellen Nachteile dadurch. Im Gegenteil: Da ein Teil der Versicherungsbeiträge vom Arbeitgeber getragen wird, liegt der Anteil des Arbeitnehmers deutlich unter den Kosten, die für eine private Krankenversicherung fällig werden.

    Im Vergleich zur PKV haben freiwillig gesetzlich Versicherte zu Beginn der Versicherung den Nachteil, dass die Beiträge in der GKV an das Einkommen gekoppelt sind. Wer also deutlich über der Jahresarbeitsentgeltgrenze liegt, muss mit höheren Beiträgen rechnen als in der PKV. Allerdings steigen bei der Privaten Krankenversicherung die Beiträge in der Regel mit zunehmendem Alter deutlich an. Dann sind die freiwillig gesetzlich Versicherten meist wieder im Vorteil.

    Keine Krankenversicherung – ist das möglich?

    Grundsätzlich ist es möglich, dass Menschen in Deutschland keine Krankenversicherung besitzen. Allerdings sollte im eigenen finanziellen Interesse niemand ohne Krankenversicherung bleiben. Es gibt zwar keine direkten Strafen, wenn jemand seiner Versicherungspflicht nicht nachkommt. Jedoch summieren sich die nicht gezahlten Versicherungsbeiträge seit Bestehen der Nicht-Versicherung. Dazu kommen noch Säumniszuschläge von bis zu 60 Prozent der ausstehenden Beiträge. In diesem Fall ist es gut möglich, dass Menschen sich durch keine Krankenversicherung überschulden.

    Ein Beispiel:
    Ein Bürger ist drei Jahre ohne Krankenversicherung. Pro Monat wären rund 150 Euro für die GKV fällig. In drei Jahren würde der Verbraucher den GKV 5.400 Euro an Beiträgen schulden. Darüber hinaus wären über 3.000 Euro an Säumnisgebühren fällig.

    Wer einmal in der GKV versichert war und seine Beiträge nicht mehr bezahlt, muss ohnehin damit rechnen, dass die offenen Beiträge über den Zoll eingefordert werden. Diese Maßnahmen können bis hin zur Pfändung reichen.

    Rückkehr in die Krankenversicherung

    Hat man aus bestimmten Gründen keine Krankenversicherung mehr, kann man jederzeit in seine Versicherung zurückkehren. Gesetzlich Versicherte wenden sich an ihre letzten Krankenkassen. Privat Versicherte müssen in die private Krankenversicherung zurückkehren. Die zuständige Versicherung ist dazu verpflichtet zuvor Versicherte, unabhängig von deren Gesundheitszustand, wieder aufzunehmen.

    Nur in Ausnahmefällen können privat Krankenversicherte wieder zurück in die GKV wechseln:

    • Sie wechseln von der Selbständigkeit in eine Anstellung und verdienen pro Jahr weniger als 56.250 Euro brutto (2016).
    • Sie waren im europäischen Ausland versicherungspflichtig.
    • Sie werden arbeitslos.

    Wenn Sie aus dem Ausland zurückkommen

    Personen, die im Ausland gearbeitet haben und zudem dort sozialversichert waren, können bei deren Rückkehr Mitglied bei einer deutschen gesetzlichen Krankenkasse werden. Wer zuvor in Deutschland jedoch privat krankenversichert war, muss wieder zurück in eine private Versicherung.

    Damit Sie nach einem Auslandsaufenthalt in die GKV zurückkehren können, müssen Sie vor Ihrem Auslandsaufenthalt die PKV gekündigt haben. Ihr Aufenthalt selbst muss mehr als zwölf Monate gedauert haben. Zudem ist es wichtig, dass Sie im Ausland pflichtversichert waren. Mögliche Länder mit Pflichtversicherung sind die Schweiz, Schweden oder die Niederlande.

    Wenn Sie nach Ihrer Rückkehr wieder in die GKV wechseln wollen, müssen Sie den Aufnahmeantrag innerhalb von drei Monaten stellen.

    Wenn Sie weder gesetzlich noch privat krankenversichert waren

    Waren Sie bisher ohne Krankenversicherung und wollen sich nun versichern, müssen Sie die Versicherung wählen, die Ihrer derzeitigen Arbeit entspricht. Sind Sie also angestellt und verdienen weniger, als die Entgeltgrenze vorgibt, müssen Sie sich in der GVK absichern. Liegt Ihr Einkommen über der Grenze oder sind Sie selbständig, müssen Sie in die PKV wechseln oder sich freiwillig gesetzlich krankenversichern.

    Was passiert, wenn man keinen Beitrag zahlt?

    Wer seine Versicherungsbeiträge nicht bezahlt, erhält immer noch einen Versicherungsschutz für dringende Behandlungen der Notfälle. Sobald die Beiträge wieder bezahlt werden, erhalten Versicherungsnehmer den vollen Schutz.

    Bei Zahlungsausfall erhalten Versicherte in der PKV eine Absicherung über den Basisbeitrag. Er deckt die minimalen Leistungen ab. Ein Basistarif bietet vor allem Versicherten Schutz, die im Sinne des Sozialrechts als hilfebedürftig gelten, da deren Beitrag dann auf die Hälfte des GKV-Höchstbeitrags begrenzt wird.

    In beiden Fällen müssen Versicherte jedoch beachten, dass sie im Beitragsrückstand sind und die ausstehende Summe an die Versicherung bezahlen müssen. In manchen Fällen kann dann eine Ratenzahlung mit dem jeweiligen Versicherer vereinbart werden.

    Versicherungspflicht: Gut oder schlecht?

    Die Versicherungspflicht hat viele Vorteile. So genießen Angestellte nahezu automatisch umfassenden Versicherungsschutz. Auf diese Weise ist die große Mehrheit der Bevölkerung im Krankheitsfall abgesichert. Durch die anteilige Bezahlung der Beiträge durch Arbeitgeber und Arbeitnehmer fällt die Belastung für die Arbeitnehmer nicht so hoch aus.

    Nachteilig wird die Versicherungspflicht für Selbständige dann, wenn sie aus finanziellen Gründen die Beiträge nicht mehr bezahlen können. In diesen Fällen kann die Pflicht zur Krankenversicherung zur Schuldenfalle werden, weil die Beitragsrückstände sich mit jedem Monat erhöhen.

    Versicherungspflicht in Europa

    In Europa ist Deutschland nicht das einzige Land mit einer Krankenversicherungspflicht. So ist die GKV auch in Schweden, der Schweiz sowie in den Niederlanden verpflichtend.

    In den USA gibt es bis heute keine Pflichtversicherung. Dort werden seit Jahren heftige Debatten um eine allgemeine Krankenversicherung geführt. Verbraucher müssen in der Regel die Behandlungskosten selbst bezahlen.

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