Die Härtefall-Regelung beim Zahnersatz in Kürze
Das Krankenversicherungssystem in Deutschland sieht für jeden Bundesbürger eine Grundversorgung vor. Gesetzlich Versicherte erhalten bei jeder Behandlung einen Regelsatz. Je nach Krankenkasse reichen die Leistungen auch über den Regelsatz hinaus.
Der Regelsatz deckt jedoch bei vielen Behandlungen nicht die kompletten Kosten, sodass die Versicherten zuzahlen müssen. Zuzahlungen machen sich besonders beim Zahnersatz bemerkbar. Hier übernimmt die GKV lediglich 50 Prozent des Regelsatzes.
Die 50-Prozent-Regelung wird immer anhand des jeweiligen Befundes angesetzt. Der Kassenzuschuss bleibt somit unabhängig vom jeweiligen Befund immer der gleiche.
Jeder gesetzlich Versicherte muss zuzahlen. Allerdings gibt es Menschen mit besonders niedrigem Einkommen. Für diese Gruppe stellt die Zuzahlung eine unzumutbare Belastung dar. Aus diesem Grund wurde die Härtefall-Regelung bei Zahnersatz eingeführt. Auf Antrag werden dann 100 Prozent der Kosten für die Regelversorgung von der gesetzlichen Krankenkasse übernommen.
Härtefall-Regelung
Die Härtefall-Regelung wird in Paragraph 55 des Sozialgesetzbuchs gesetzlich festgelegt.
Vollständige Befreiung
Werden 100 Prozent der Leistungen aufgrund der Härtefall-Regelung beim Zahnersatz übernommen, spricht man auch von einer vollständigen Befreiung der Versicherten.
Hierbei handelt es sich jedoch immer um die Befreiung von der Zuzahlung bei der Regelversorgung. Wollen vollständig befreite Versicherte zum Beispiel ein besseres Material, das nicht über die Regelversorgung gedeckt ist, müssen sie dieses selbst bezahlen und erhalten dafür keinen Zuschuss.
Diese Personengruppen können die Härtefall-Regelung beim Zahnersatz in Anspruch nehmen:
- Versicherungsnehmer, deren Bruttoeinkommen unter 1.134 Euro liegt
- Versicherungsnehmer, die mit einem Angehörigen zusammenleben und weniger als 1.559,25 Euro brutto pro Monat einnehmen
- Hartz-IV-Empfänger
- Empfänger der Grundsicherung im Alter
- Empfänger von Grundsicherung bei Erwerbsminderung
- gesetzlich Versicherte, die in einem Heim leben, dessen Kosten von einem sozialen Träger übernommen werden
- Sozialhilfeempfänger
- BAföG-Empfänger
Erhöhte Einkommensgrenze für Angehörige
Die Einkommensgrenze erhöht sich für den ersten mit im Haushalt lebenden Angehörigen um 435,75 Euro, für jeden weiteren Angehörigen um 290,50 Euro. So kann die Einkommensgrenze, um als Härtefall zu gelten, bei drei Angehörigen bei insgesamt 1.888,25 Euro brutto pro Monat liegen.
Die genannten Personengruppen erhalten in der Regel 100 Prozent der Kosten der Regelversorgung erstattet. Liegen gesetzlich Versicherte nur minimal über den Einkommensgrenzen, besteht die Möglichkeit, auf Antrag einen Zuschuss über die allgemein gültigen 50 Prozent zu erhalten.
Versicherte sollten deshalb die Krankenkasse kontaktieren und fragen, ob ein erhöhter Zuschuss möglich ist. In diesem greift dann die gleitende Härtefall-Regelung.
Was zählt zum Bruttoeinkommen?
Zum Einkommen zählen Altersrenten, Krankengeld, Arbeitslosengeld, Elterngeld oder Einkommen aus selbständiger Tätigkeit. Darüber hinaus müssen Antragsteller auch Kapitalerträge aus Wertpapieren oder Sparverträgen angeben.
Diese Einnahmen zählen nicht zum Bruttoeinkommen:
- Kindergeld
- Elterngeld
- Blindenhilfe
- Pflegegeld
- Landeserziehungsgeld
- BAföG
Die gleitende Härtefall-Regelung
Bei einer gleitenden Härtefallregelung übernimmt die Krankenkasse neben dem einfachen Festzuschuss einen weiteren Betrag zur Zahnersatz-Regelversorgung. Als Berechnungsgrundlage hierfür dient die Differenz aus den Bruttoeinnahmen sowie den oben genannten Einkommensgrenzen. Die gleitende Härtefall-Regelung oder teilweise Befreiung ermöglicht es einkommensschwachen Versicherten, die mit ihrem Einkommen eigentlich über der Härtefallgrenze liegen, mehr als 50 Prozent der Regelerstattung von der Versicherung zu bekommen.
Um den möglichen Erstattungsbetrag zu berechnen, wird die Differenz zwischen den monatlichen Bruttoeinkünften und der jeweiligen Härtefallgrenze mit drei multipliziert. Übersteigt die Eigenbeteiligung diesen Betrag, übernimmt die gesetzliche Krankenversicherung den Anteil, der den Pflichtbetrag übersteigt.
Beispiel:
Ein alleinstehender Versicherter hat ein monatliches Bruttoeinkommen von 1.250 Euro. Die Regelversorgung für den benötigten Zahnersatz beträgt 800 Euro. Die gesetzliche Krankenkasse bezuschusst den Zahnersatz somit mit 400 Euro.
Die Härtefallgrenze für Singles liegt bei 1.162 Euro.
Die zumutbare Belastung wird dann wie folgt berechnet:
(1.250 Euro – 1.162 Euro) x 3 = 264 Euro
Die tatsächliche Belastung wird mit 400 Euro angesetzt.
Somit übersteigt die tatsächliche Belastung von 400 Euro die zumutbare Belastung um 136 Euro.
Deshalb erhöht die gesetzliche Krankenkasse ihren Zuschuss um 136 Euro auf insgesamt 536 Euro.
Diese Behandlungen zählen zum Zahnersatz
Als Zahnersatz wird eine festsitzende oder herausnehmbare zahnmedizinische Prothese bezeichnet, die fehlende Zähne ersetzt. Als Zahnersatz gelten:
- Kronen
- Brücken
- Prothesen
- Implantate (Suprakonstruktionen)
Nicht als Zahnersatz erstattet werden:
- Gold-Inlays
- Keramik-Inlays
- Wurzelkanalfüllungen
- Röntgenuntersuchungen
Rechtliche Grundlage für die Bezuschussung durch die GKV
Wie hoch die Festzuschüsse ausfallen, wird in der sogenannten „Festzuschuss-Richtlinie“ durch den Gemeinsamen Bundesausschuss festgelegt und in § 55 und 56 des Sozialgesetzbuchs (SGB) definiert.
Beantragung der Härtefall-Regelung für Zahnersatz
Die Härtefall-Regelung muss von den Versicherten individuell beantragt werden. So gehen Sie dabei vor:
- Nehmen Sie Kontakt zu Ihrer Krankenkasse auf und vereinbaren Sie einen Termin in einer Geschäftsstelle in Ihrer Nähe.
- Tragen Sie Ihr Anliegen vor und belegen Sie, dass Ihr monatliches Bruttoeinkommen unter der Einkommensgrenze für die Härtefallregelung oder knapp darüber liegt.
- Stellen Sie Ihren Antrag auf die Härtefallregelung bei Ihrer Krankenkasse.
- Warten Sie die Prüfung des Antrags und die Bestätigung ab.
- Wurde Ihr Härtefall angenommen, können Sie die Rechnung für den Zahnersatz bei Ihrer Krankenkasse einreichen.
Schritt für Schritt Anleitung zur Härtefall-Regelung für Zahnersatz:
- Krankenkasse anfragen
- Antrag stellen
- Prüfung abwarten
- Nach Behandlung Zahnarzt-Rechnung einreichen
Wenn der Antrag auf eine Härtefallregelung abgelehnt wird, können Betroffene erneut versuchen, mit der Krankenkasse zu sprechen. Übernimmt die Krankenkasse dennoch nur einen Pflichtanteil, müssen Versicherte überlegen, wie sie den Restbetrag selbst übernehmen können.
Damit der Härtefallantrag nicht abgelehnt wird
Um zu sichern, dass die Krankenkasse die Kosten für Zahnersatz zu 100 Prozent übernimmt, sollten Versicherte bereits vor der Behandlung einen Antrag stellen. Hierfür gehen sie zunächst zum Zahnarzt und lassen sich, wie bei größeren Behandlungen üblich, einen Heil- und Kostenplan vom erstellen.
Darin werden alle erforderlichen Behandlungsschritte sowie der verwendete Zahnersatz aufgeführt. Dieser Heil- und Kostenplan wird bei der zuständigen GKV eingereicht. Nach einer Prüfung erhalten die Versicherten entweder eine Zusage für die Kostenübernahme oder eine Ablehnung. Mit dem Heil- und Kostenplan kann zugleich die Härtefallregelung beantragt werden.
Zahnarzt im Vorfeld auf den Härtefallantrag hinweisen
Weisen Sie Ihren Zahnarzt vor der Aufstellung des Heil- und Kostenplans darauf hin, dass Sie die Regelversorgung erhalten und einen Härtefallantrag stellen wollen. Er wird den Plan dann so ausarbeiten, dass nur Materialien und Zahnersatz verwendet werden, die auch im Rahmen der Regelversorgung von den gesetzlichen Krankenkassen übernommen werden.
Erhöhung der Zuschüsse mit dem Bonusheft
Gesetzlich Versicherte haben die Möglichkeit, die Zuschüsse für Zahnersatz durch das Führen eines Bonusheftes auf 60 Prozent der Regelversorgung zu erhöhen. Die Bonusregelung tritt dann in Kraft, wenn Versicherte sich um ihre Zahngesundheit bemühen. Hierzu gehören:
- eine zahnärztliche Untersuchung pro Jahr bei Erwachsenen für den Zeitraum von fünf Jahren
- zwei zahnärztliche Untersuchungen pro Jahr bei Versicherten unter 18 Jahren für den Zeitraum von fünf Jahren
Werden diese Leistungen über 10 Jahre kontinuierlich erbracht, erhöht sich der Zuschuss auf 65 Prozent. Alle Zahnarztbesuche werden im Bonusheft festgehalten.
Bonusheft nutzen!
Gesetzlich Versicherte können jederzeit wieder mit dem Bonusheft beginnen. Wird die Behandlung allerdings unterbrochen, müssen sie wieder von vorn anfangen.
Private Zahnzusatzversicherung
Um die Zuzahlung zu minimieren, können gesetzlich Versicherte eine private Zahnzusatzversicherung abschließen. Auf diese Weise ist es möglich, sich Zahnersatz bis zu 90 oder 100 Prozent erstatten zu lassen.
Wichtig ist, dass Versicherte vor dem Abschluss darauf achten, ob es sich um einen Tarif mit oder ohne Wartezeit handelt. Darüber hinaus sind in den ersten Jahren meist Kostengrenzen einzuhalten.
Zahnzusatztarife mit guten Leistungen sind bereits für einen monatlichen Beitrag von 10 Euro erhältlich.