Merkantiler Minderwert: Wichtige Kennzahl bei Kfz- und Immobilienschäden

Wenn ein Auto durch einen Unfall beschädigt wurde, ist es trotz Reparatur danach nicht mehr genauso viel wert wie vorher. Auch bei einem Haus gilt, dass Reparaturen nach Schadensfällen zu einem Wertverlust führen. Zur Ermittlung dieser Wertminderungen wird von Versicherungen der Merkantile Minderwert herangezogen.

Elisabeth Schwarzbauer

Autorin für Versicherungsthemen


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Zuletzt aktualisiert: May 28, 2023

Author Elisabeth Schwarzbauer

Elisabeth Schwarzbauer

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Elisabeth ist studierte Physikerin, verantwortet bei uns die Versicherungsthemen und hilft Ihnen Ihr bestes Angebot zu finden. Ihre Freizeit verbringt sie am liebsten mit Ihrer Familie oder mit einem Buch auf der Terrasse (wenn es das Wetter ermöglicht).

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Inhaltsverzeichnis
     

    Das Wichtigste in Kürze:

    • Der Merkantile Minderwert entspricht umgangssprachlich der Wertminderung einer Sache. Diese ist nach einem Schaden trotz Reparatur nicht mehr genauso viel wert wie zuvor.
    • Die Berechnung des Merkantilen Minderwerts ist nicht einheitlich geregelt. Bei KFZ spielt zum Beispiel das Fahrzeugalter eine wichtige Rolle. Je neuer das Auto ist, desto größer fällt der Wertverlust nach einem Unfall aus.
    • Der Merkantile Minderwert kann nur bei Haftpflichtschäden geltend gemacht werden.

    Der Merkantile Minderwert ist eine Richtgröße, die ermittelt wird, um den Wertverlust einer Sache nach deren Wiederherstellung nach einem Schaden zu ermitteln. Im Alltag wird dieser Wert auch als „Wertminderung“ bezeichnet. Zum Tragen kommt das Prinzip vor allem bei Schäden an Kraftfahrzeugen und Immobilien, wenn eine Haftpflichtversicherung zur Schadensregulierung eingesetzt wird.

    Beim Merkantilen Wert handelt es sich jedoch nicht um einen festen Wert, sondern um einen fiktiven Wert. Aus diesem Grund ist es wichtig zu wissen, welche Kriterien bei der Berechnung der Wertminderung mit einfließen.

    Merkantile Wertminderung von Kraftfahrzeugen

    Der Merkantile Minderwert kommt besonders bei Kfz-Schäden zum Tragen. Denn gerade bei PKW oder Motorrädern ist die Wertminderung nach einem Autounfall besonders deutlich spürbar. Die Wertminderung gilt als eine Schadensersatzleistung geleistet von der KFZ-Versicherung nach einem Autounfall. Dies ist eine Haftpflichtleistung, die von der Versicherung des Unfallverursachers übernommen wird. 

    Die Summe der Wertminderung, die ermittelt wurde, wird anschließend dem Eigentümer des beschädigten Fahrzeugs bezahlt. Eine Instandsetzung des Unfallschadens stellt hier keine verpflichtende Voraussetzung dar, um seinen Anspruch auf den ausbezahlten Wertverlust beim Auto nach dem Unfall geltend zu machen.

    Die merkantile Wertminderung orientiert sich an den Betriebsjahren eines Fahrzeugs:
    1. Betriebsjahr: 
    25 % der Reparaturkosten
    2. Betriebsjahr: 20 % der Reparaturkosten
    3. Betriebsjahr: 15 % der Reparaturkosten
    4. Betriebsjahr: 10 % der Reparaturkosten

    Merkantiler Minderwert bei Neuwagen

    Die Merkantile Wertminderung ist bei Neuwagen besonders groß, da die Differenz zwischen dem Verkehrswert des unfallfreien Neuwagens und dem Wert des Unfallfahrzeugs sehr hoch ist. Bei Gebrauchtwagen sinkt diese Differenz merklich. Meist besteht bei einem Fahrzeugalter ab fünf oder sechs Jahren kein wirklich relevanter Wertunterschied zwischen unfallfreien Kfz und Unfallfahrzeugen.

    Merkantiler Minderwert nur bei Haftpflicht:

    Der Merkantile Minderwert findet nur bei der Haftpflichtversicherung Anwendung, nicht aber bei der Kaskoversicherung. Dies ist damit begründet, dass die Kaskoversicherung nach § 13, Absatz 6 ohnehin schon die Kosten für die Wiederherstellung oder den Wiederbeschaffungswert des Fahrzeugs tragen muss.

    Rechtliche Grundlagen

    Die Rechtsgrundlage für den Merkantilen Minderwert liefert zunächst § 249 des Bürgerlichen Gesetzbuchs (BGB):

    249 BGB

    Wer zum Schadensersatz verpflichtet ist, hat den Zustand herzustellen, der bestehen würde, wenn der zum Ersatz verpflichtende Umstand nicht eingetreten wäre. Der Ersatz soll demnach so erfolgen, dass die hypothetische Lage durch eine möglichst „natürliche“ Annäherung erzielt wird.

    Doch gerade bei Kfz oder Immobilien ist eine Reparatur nicht ausreichend, um den ursprünglichen Verkehrswert zu restituieren.

    Ein „Unfallwagen“ ist immer weniger wert als ein direkt vergleichbares Auto, das nicht durch einen Unfall beschädigt worden ist. Um diesen Mangel auszugleichen, liefert § 251 des BGB die gesetzliche Grundlage für den Schadensersatz über den Merkantilen Minderwert:

    251 BGB

    Soweit die Herstellung nicht möglich oder zur Entschädigung des Gläubigers nicht genügend ist, hat der Ersatzpflichtige den Gläubiger in Geld zu entschädigen.

    Der Geschädigte muss also einen Schadensersatz erhalten, wenn sein Auto nach einer Reparatur weniger wert ist als zuvor. Diese Differenz ist dann der Merkantile Minderwert. Dessen Berechnung kann schließlich auf unterschiedliche Weise erfolgen. 

    Berechnung

    Für die Berechnung der Wertminderung gibt es keine einheitlichen Grundlagen. Wie der Merkantile Minderwert letztlich berechnet wird, hängt vom Einzelfall ab. In der Praxis haben sich fünf verschiedene Methoden bewährt, die von unterschiedlichen Instanzen genutzt werden.

    Schätzen Wenn es bei einer Verhandlung vor Gericht um die Berechnung des Minderwerts geht, kann ein Richter diesen frei schätzen.
    Halbgewachs-Methode Die von E. Halbgewachs entwickelte Berechnungsmethode setzt eine Obergrenze zur Bestimmung des Merkantilen Minderwerts. Neben den gesamten Reparaturkosten spielen auch der ehemalige Neupreis sowie das Alter des Fahrzeugs eine Rolle. Eine Berechnung ist nach Halbgewachs ausgeschlossen, wenn das Fahrzeug älter als sechs Jahre ist, das Wertverhältnis unter 35 Prozent liegt oder die Reparaturkosten weniger als zehn Prozent des Verkaufswerts ausmachen. Die Methode ist ebenfalls nicht anzuwenden, wenn der Verkaufswert weniger als 40 Prozent des Neupreises beträgt. Die Halbgewachs-Methode wurde lange Zeit von Institutionen wie der DEKRA genutzt, bis sie von neueren Berechnungsmethoden abgelöst wurde.
    Zeisberg-Methode oder Marktrelevanz- und Faktorenmethode (MFM) Bei dieser Berechnung fließen sowohl rechtliche als auch technische Faktoren mit ein. In diesem Sinne wird zum Beispiel die Preisentwicklung auf dem Markt berücksichtigt. Außerdem kommen Fahrzeugbesonderheiten zum Tragen. Relevante Berechnungsgrößen sind zum Beispiel die Marktgängigkeit, die Alterskorrektur oder Vorschäden. Die MFM-Methode wird heute von Prüfinstanzen wie der DEKRA eingesetzt.
    BVSK-Methode Diese Methode wird überwiegend vom Bundesverband der freiberuflichen und unabhängigen Sachverständigen verwendet, um den Merkantilen Minderwert zu ermitteln. Neben der Marktgängigkeit werden ebenfalls vorherige Unfallschäden sowie der Wiederbeschaffungswert berücksichtigt. Auch die Intensität des Schadens spielt eine wichtige Rolle bei der Wertermittlung. Bagatellschäden oder Totalschäden finden bei dieser Methode keine Berücksichtigung. Das Berechnungsmodell wird in der Regel von Sachverständigen verwendet.
    Hamburger Modell Diese Methode wurde zu Beginn der 1980er-Jahre vom Oberlandgericht Hamburg entwickelt, um den Merkantilen Minderwert zu berechnen. In Hamburg wird sie bis heute angewandt. Relevante Faktoren sind hier der Arbeitslohn für die Instandsetzung, der Lohn für die Arbeiten an der Karosserie sowie die Gesamtreparaturkosten. Die Betriebsleistung des Autos wird ebenfalls in die Berechnung einbezogen.

    Wichtige Faktoren bei der Berechnung

    1. Fahrzeugalter
    2. Kilometer-Leistung
    3. Anzahl der Besitzer
    4. Zustand
    5. Marktgängigkeit
    6. Ausstattung

    Wichtig bei der Berechnung der Wertminderung für die Haftpflicht

    1. Unterschiede bei der Bestimmung des Werts zwischen Motorrädern, PKW und Sonderfahrzeugen
      Das Fahrzeugalter hat bei einem Motorrad eine andere Relevanz für die Wertminderung als bei einem PKW.
    2. Der merkantile und der technische Minderwert werden unterschieden
      Um einen technischen Minderwert handelt es sich, wenn das Fahrzeug trotz fachgerechter Reparaturen nicht den gleichen technischen Stand hat wie vor der Reparatur. Wird das Fahrzeug fachgerecht repariert, kann somit zwar ein technischer Minderwert ausgeschlossen werden, dennoch liegt der Verkaufswert trotz Reparatur unter dem eines vergleichbaren unfallfreien Fahrzeugs. Demnach sind technischer und merkantiler Minderwert nicht gleichbedeutend.
    3. Unterschiede zwischen der merkantilen Wertminderung, dem Restwert und dem Wiederbeschaffungswert
      Bei der merkantilen Wertminderung wird lediglich die Differenz zwischen Verkehrswert vor dem Unfall und nach dem Unfall mit Wiederherstellung betrachtet. Der Restwert umfasst den Wert, den das Fahrzeug ohne Reparatur nach dem Unfall hat, während der Wiederbeschaffungswert den Preis bezeichnet, der für die Anschaffung eines gleichwertigen Fahrzeugs nötig wäre.

    Aktuelle Rechtsprechung zur Berechnung

    Die aktuelle Rechtsprechung nutzt häufig noch die zu Beginn der 1960er-Jahre entwickelte Methode von Rührkopf/Salm. Sie berechnet den Minderwert als prozentualen Anteil an der Summe aus Wiederbeschaffungswert und voraussichtlichen Reparaturkosten.

    In der Praxis werden damit allerdings ältere Fahrzeuge deutlich benachteiligt. Darüber hinaus erweist sich diese Methode meist als zu ungenau, um den Minderwert exakt berechnen zu können. Deshalb wird in vielen Fällen die Sachverständigen-Methode vorgezogen.

    Die Gerichtspraxis hat vielfach belegt, dass die gängige Methode von Rührkopf/Salm nicht ausreichend ist. So wurde zum Beispiel in einem Urteil des Oberlandesgerichts Oldenburg von 2007 bestätigt, dass ein Merkantiler Minderwert auch bei Fahrzeugen anfallen kann, die eine Laufleistung von mehr als 100.000 Kilometern haben.

    Warum kann der Merkantile Minderwert entfallen?

    • Das Fahrzeug ist zu alt
      Bei älteren Fahrzeugen ist die Differenz zwischen Verkehrswert nach der Instandsetzung und vor dem Unfall meist zu gering, als dass es sich um einen relevanten Merkantilen Minderwert handelt.
    • Nicht erhebliche Unfallbeschädigung
      In diesem Fall handelt es sich um sogenannte Bagatellschäden wie kleine Lackkratzer. Die Behebung dieser Schäden ist nicht sehr kostenintensiv und beeinträchtigt den Wert eines Fahrzeugs kaum.
    • Zu hohe Laufleistung
      Bei Fahrzeugen mit deutlich mehr als 100.000 Kilometern Laufleistung wird von einem geringeren Verkehrswert ausgegangen, der durch eine erfolgte Reparatur nicht in relevantem Maße gemindert wird.
    • Sonderfahrzeug kann keinen Minderwert haben
      In Einzelfällen können Gutachter zu dem Schluss kommen, dass das betroffene Sonderfahrzeug keinen Minderwert durch eine Reparatur hat. Dabei spielt der Wert des Sonderfahrzeugs eine wichtige Rolle.
    • Minderwert steht dem Leasinggeber zu
      Der Merkantile Minderwert kann entfallen, wenn der Anspruchsteller der Leasingnehmer ist, er aber dem Leasinggeber zusteht.
    • Vorschäden
      Sind erhebliche Vorschäden vorhanden, kann der Merkantile Minderwert ausgesetzt oder vom Versicherer abgelehnt werden.
    • Fahrzeug wurde unrepariert verkauft
      In diesem Fall bestand schon vor dem Unfall ein hohes Reparaturrisiko. Deshalb kann der Merkantile Minderwert nicht wirklich berechnet werden.
    • Überschreitung einer Obergrenze
      Wurde im Gutachten bereits keine oder eine sehr niedrige Wertminderung ermittelt, kann auch eine Abrechnung auf Totalschadenbasis erfolgen. Der Merkantile Minderwert ist dann nicht mehr relevant.

    Merkantile Wertminderung und Totalschaden

    Wenn ein Geschädigter auf eine Reparatur des Fahrzeugs verzichtet und den Schaden als Totalschaden berücksichtigen lässt, ist ein Ausgleich über den Merkantilen Minderwert nicht möglich. Ein gleichzeitiger Anspruch auf Schadensersatz über einen Totalschaden und eine Wertminderung ist somit ausgeschlossen.

    Wann ist ein Merkantiler Minderwert überhöht?

    1. Schätzung im Gutachten nicht nachvollziehbar
      Wurde im Gutachten eine Schätzung abgegeben, die nicht transparent nachvollzogen werden kann, kann die Zahlung des Merkantilen Minderwerts abgelehnt werden.
    2. Berechnungsmethode des Sachverständigen fehlerhaft
      Weist ein Gutachten zur Berechnung der Wertminderung Fehler auf, gilt der Merkantile Minderwert als überhöht.
    3. Abweichende Schätzung eines anderen Sachverständigen
      Hat ein Versicherer einen eigenen Sachverständigen bemüht, der andere Schätzungen ermittelt hat, kann die Regulierung des Minderwerts abgelehnt oder reduziert werden.
    4. Geringe oder keine Berücksichtigung von Vorschäden
      Hat der Anspruchsteller einen Sachverständigen beauftragt, der keine oder zu wenig Vorschäden in die Berechnung einbezogen hat, kann ein dadurch erhöhter Merkantiler Minderwert von der Versicherung abgelehnt werden.
    5. Instandsetzung führt zu einer Wertverbesserung
      Führt eine Reparatur nachträglich zu einer Aufwertung eines Fahrzeugs, kann der Merkantile Minderwert dadurch aufgehoben werden.

    Andere Fälle von Merkantilen Wertminderungen

    Der Merkantile Minderwert kann in manchen Fällen nicht nur durch einen Unfall und einen damit verbundenen Schaden begründet werden. Möglich ist auch eine Wertminderung, wenn das Gefühl beeinträchtigt wird. Das kann zum Beispiel der Fall sein, wenn in einer Immobilie ein Verbrechen oder ein Unglück wie ein Suizid stattgefunden hat.

    Diese Aspekte müssen dann bei einer Immobilienbewertung berücksichtigt werden. Wichtig ist auf jeden Fall, dass ein Verkäufer potentiellen Käufern derartige Informationen nicht vorenthält. Sagt er vor dem Verkauf nichts, kann er später wegen arglistiger Täuschung angezeigt werden.

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